WebQuests & Web Inquiry Projects


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Didaktische Grundlagen zu WebQuests und Web Inquiry Projects

Die Grundlagen des WIP wurden im Jahre 1995 von Bernie Dodge und Tom March unter dem Namen „WebQuest“ formuliert [1]. Es handelte sich dabei um eine Möglichkeit, das Potenzial des Internets für eine strukturierte Recherche- und Forschungsarbeit zu nutzen. Ein wesentlicher Aspekt war dabei die Vorauswahl des Materials; durch die angegebenen Links sollte vermieden werden, dass die Schülerinnen und Schüler zum einen fehlerhaftes oder unbrauchbares Material verwenden und zum anderen von der Masse des Angebotes überfordert werden (Zeitverlust durch Suche und Selektion). Zusätzlich sollten auf diesem Wege etwaige Ablenkungen vermieden werden. Die großen Vorteile von WebQuests sind sicherlich der Einsatz von neuen Medien (z.B. Methodenkompetenz, aktuelle Materialien und motivationale Aspekte), die hohe Aktivität der Schülerinnen und Schüler und eine hohe Zielführung durch die Vorstrukturierung durch die Lehrkräfte.

Dieser letzte Punkt ist allerdings nicht unumstritten; wurde er vor einigen Jahren noch als notwendige Hilfestellung zum richtigen Umgang mit dem damals recht neuen Medium Internet angesehen, sind Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte heutzutage aufgrund des alltäglichen Gebrauchs diesbezüglich deutlich versierter. Somit stellt sich die Frage, ob die Vorgabe des Materials die Lerner in ihrer Recherchearbeit unterstützt oder einschränkt. In einer Studie von Dodge wurde dieser Aspekt untersucht und 75 WebQuests hinsichtlich ihres Grades der Offenheit analysiert [2]. Dabei wird zwischen vier Niveaus unterschieden [3]:

  1. Confirmation/Verification: SuS überprüfen eine Aussage auf vorgeschriebene Weise. Die Ergebnisse sind dabei im Vorfeld bekannt.
  2. Structured Inquiry: SuS untersuchen eine vom Lehrer präsentierte Fragestellung auf vorgeschriebene Weise.
  3. Guided Inquiry: SuS untersuchen eine vom Lehrer präsentierte Fragestellung auf eine selbstständig festgelegte Weise.
  4. Open Inquiry: SuS untersuchen themenbezogene und selbst formulierte Fragestellungen auf eine selbstständig festgelegte Weise.

Die Ergebnisse der Studie von Dodge zeigen, dass ein Großteil (79 %) der untersuchten Web-Quests auf Niveau eins ausgelegt sind. Höhere Niveaus stellen zwar größere Ansprüche an die Schülerinnen und Schüler, fördern andererseits stärker das forschungsorientierte Lernen und weitere Kompetenzen, wie unter anderem methodisches Arbeiten. Die Ursache für diese große Anzahl an WebQuests auf Niveau eins kann auf die relativ geschlossene Aufgabenstellung zurück-geführt werden. Die logische Konsequenz ist die Forderung nach mehr Offenheit und führte zur Weiterentwicklung des WebQuests zum WIP mit dem Ziel, Schülerinnen und Schüler mehr Freiräume und Möglichkeiten hinsichtlich der Durchführung zu geben[4, 5]. Mögliche Umsetzungen sind beispielsweise die eigenständige Planung des Projektverlaufes, die Formulierung und Unter-suchung eigener Fragestellungen und die selbstständige Recherche.

Der Aufbau eines WIP ist in sechs Phasen gegliedert

Struktur eines WebQuests
Abb. 1 - Phasen eines WebQuests oder Web Inquiry Projects
  1. Reflect - Die SuS reflektieren das bekannte oder neue Material.
  2. Ask Questions - Die SuS stellen themenbezogene Fragen.
  3. Define Procedures - Die SuS strukturieren ihr Vorgehen und legen den weiteren Ablauf des Projektes fest.
  4. Gather/Investigate Data - Die SuS recherchieren und sammeln Informationen im Internet.
  5. Analyze/Manipulate Data - Die SuS analysieren und bearbeiten die Informationen.
  6. Draw Conclusions/Report Findings - Die SuS ziehen Schlussfolgerungen aus den Analysen und belegen diese mit den gesammelten Daten. Die Ergebnisse werden festgehalten und/oder präsentiert.

Beispiel: Durchführung des Nanosilber-Web Inquiry Projects

In diesem Projekt soll eine mögliche Ausgestaltung eines Web Inquiry Projects (im Folgenden: WIP) zum Thema Nano-Silberpartikel für den Einsatz im Chemieunterricht beschrieben werden. Zentrale Aspekte sind dabei die Grundlagen der Herstellung von Nanomaterialien, deren Wirkprinzip, Analysemethoden (Möglichkeiten der Visualisierung) und etwaige Gefahren für Mensch und Umwelt.

Im weiteren Verlauf fokussieren wir uns auf den zweiten Abschnitt, also auf die Phasen 4-6 des auf dieser Seite zu findenden Nanosilber-WIP. Diese Einschränkung ist dem Umstand geschuldet, dass viele Anknüpfungspunkte an diese Thematik existieren; der Einstieg erfolgt somit oft im Anschluss an diverse, zuvor im Chemieunterricht behandelte Anwendungen von Nanotechnologie im Alltag, was die Erstellung einer eigenen Einführung in jedem Fall notwendig macht. Nichtsdestotrotz soll im Folgenden ein möglicher Einstieg zum Thema Nano-Silberpartikel vorgestellt werden.

Hook: Silber-Nanopartikel

Als Einstieg in das Thema soll den SuS zunächst die Problematik verdeutlicht werden. Dazu werden im Vorfeld mithilfe von Nährböden zwei Abdrücke von Türklinken an Schülertoiletten angefertigt. Dabei handelt es sich um ein einfaches Vollmedium (Agar-Agar mit Malzextrakt), welches einfach herzustellen oder sehr günstig zu erwerben ist (Stückpreis ca. 1,50 €). Abhängig von der verfügbaren Zeit kann dies zusammen mit den SuS genommen werden oder alternativ auch Bilder verwendet werden. Ein Nährboden wird gründlich mit dem Deo Silver Protect von Nivea eingesprüht, beide Plexiglasschalen mit Parafilm abgedichtet und einige Tage stehen gelassen. Als Resultat sollten sich bereits nach einigen Tagen Bakterien und Pilze auf der unbehandelten Platte zeigen.

Im Unterricht kann nun mit diesem Beweis das aus der Werbung bekannte Deo als „neuste Waffe“ gegen die sichtbaren Keime vorgestellt werden. Dessen Wirksamkeit beruht hauptsächlich auf der antimikrobiellen Wirkung von Silber-Nanopartikeln. Allerdings stellt sich die Frage, was Nanopartikel sind und wie sie wirken. Diese Aspekte sollen die SuS in einem WIP herausfinden. Alternative Einsatzgebiete für Nano-Silberpartikel sind hygienische Türklinken [6] und Wandfarben

Recherche, Auswertung und Präsentation

Es ist nun die Aufgabe der SuS, sich über die relevanten Aspekte der Nanotechnologie zu informieren. Für das hier vorgestellte Projekt könnten dies etwa sein:

  1. Herstellung (Syntheseprinzipien und –verfahren und Anwendungen, ggfs. Schülerexperiment)
  2. Wirkprinzip (Größe von Nanopartikeln, Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis, Anwendungsbeispiele)
  3. Qualitätsmanagement (Elektronen- und Rastersondenmikroskop)
  4. Risiken und Nutzen (Ökologische und gesundheitliche Aspekte, ggfs. konkrete Fälle)

Hinsichtlich des Grades der Offenheit (siehe oben) wurde für dieses Projekt eine hybride Lösung ausgewählt; zu den vier Aufgabenbereichen sollen entweder Quellen vorgegeben werden (Structured Inquiry) oder nicht (Guided Inquiry). Zwei Argumente sprechen dafür: Zum einen kann auf diese Weise durch die Vorstrukturierung der Aufgabe durch die Lehrkraft binnendifferenziert werden. Zum anderen sind die Gruppenthemen unterschiedlicher Natur; so muss z.B. die experimentelle Ausstattung für Schülerversuche zur Herstellung vorhanden sein, was eine vorherige Auswahl der Quelle durch die Lehrkraft sinnvoll erscheinen lässt. Für die Bewertung ökologischer und gesundheitlicher Faktoren sind hingegen keine Vorbereitungen notwendig, sodass die Vorgabe von Links die SuS an dieser Stelle sogar einschränken könnte, falls sie eigenes Vorwissen mitbringen. Insofern handelt es sich bei diesem Projekt nicht um ein „klassische“ sondern um eine neue Form des WIP.

Von den SuS wird verlangt, dass sie ihre Ergebnisse im Anschluss an die Recherche und internen Diskussion vorstellen und im Plenum diskutieren.

Anmerkung

Wie oben bereits beschrieben kann in diesem Projekt nur schwer Vorwissen der SuS aktiviert werden, wodurch dieses WIP einen Teil seines Catches verliert. Auf der anderen Seite zeigen Untersuchungen, dass dieses Themengebiet einem Großteil der SuS generell unbekannt ist, womit das oben genannte Vorgehen gerechtfertigt werden kann.

Quellen

[1] B. Dodge, Dome Thoughts About WebQuests, San Diego, http://webquest.sdsu.edu/about_webquests.html 1995. [2] P. E. Molebash et al., Promoting Student Inquiry: WebQuests to Web Inquiry Projects (WIPs), http://webinquiry.org/WIP_Intro.htm 2008. [3] M. D. Herron, School Review 1971, 79 (2), 171. [4] S. P. P. Marinho, A. Machado Simoes Marinho, R. A. Teixeira Vilela, J. W. Da Costa, Journal of Social Informatics 2010, 7 (14). [5] G. Netz, Web Inquiry Project: Die Idee des WebQuests weitergedacht, http://www.lehrer-online.de/wip.php 2003. [6] A. Oebbeke, Türklinke mit auto-hygienischer Oberfläche, http://www.baulinks.de/webplugin/2009/1954.php4 2009. [7] A. Oebbeke, Hygienische Oberflächen und antimikrobielle Beschichtungen von z.B. Türklinken und Lichtschaltern, http://www.baulinks.de/hotspots/hygienische-antimikrobielle-oberflaechen.php 2012. [8] Bioni CS GmbH, Bioni Hygienic®: Multifunktionale Innenbeschichtung auf Basis von Nanotechnologie für hygienisch anspruchsvolle Bereiche, http://www.bioni.de/index.php?page=produktprogramm_bioni_hygienic&lang=de.


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